"Sich
selbst ein guter Lehrer sein..."
Erkenntnisse
eines langjährigen Gitarrenlehrers
von Ernst Jochmus
Während meines Musikstudiums (4 Jahre hab` ich an der Musikhochschule Köln verbracht, bevor der Rock`n Roll mich wieder rief) hatten wir die Fächer Musikpädagogik und Fachdidaktik, wo Wege gezeigt wurden, wie wir unser Wissen als Instrumentallehrer vermitteln könnten. Da ging es dann um verschiedene Formen von Sinnwahrnehmungen, Gedächtnis, Motivation, was für Übungsmaterial verwendet werden kann und wie man die Schüler am besten leitet.
Parallel zum Studium hatte ich ab 1985 ca. 20 Schüler und Schülerinnen wöchentlich, ich muß aber gestehen, daß ich ziemlich wenig mit pädagogischen Büchern "unter dem Arm" unterrichtet habe. Eher habe ich versucht herauszufinden, was die Schüler an der Gitarre interessierte und auf welche Art Unterricht sie am besten "ansprachen".
Die Gitarre ist ja ein sehr vielseitiges Instrument und so kommen die Schüler auch mit den verschiedensten Zielen zu mir. Meine Rolle als Lehrer sehe ich darin zu erfahren, welche Ziele der Schüler oder die Schülerin hat. Dann kann ich ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen. Je klarer das Ziel ist (dem Schüler und dem Lehrer), um so effektiver und mit mehr Spass kann der Schüler lernen.
Anders kann der Unterricht ziemlich langweilig werden, wenn man sich nur fragt, was "müsste " man denn lernen um Gitarre spielen zu "können"? Die Frage sollte lauten: "Was will ich lernen und welchen Weg gibt es dahin?"
Häufig kommt diese Zielbildung erst im Laufe der Zeit, ich versuche die Schüler neben der Vermittlung von technischen und musikalischen Grundlagen aber schon möglichst früh dazu zu motivieren, ihre eigenen Wege zu gehen. Oft tuen sie dies zunächst in Form kleiner Hilfen, die sich selbst zu Übungsstücken etc. schreiben (Notennamen, Fingersatz). Dadurch kann man als Schüler erfahren, daß man sich selbst helfen kann, selbst "lehren" (wie dies ja viele Autodidakten erfolgreich getan haben), daß man einen eigenen Weg beim Lernen gehen darf.
Dadurch, daß die Schüler sich selbst helfen, entwickeln sie Selbstvertrauen und werden unabhängiger vom Lob oder Tadel des Lehrers. Sie merken, daß sie es selbst in der Hand haben, wie sie ihr Ziel erreichen und können sich mehr an ihrer Leistung freuen, als wenn sie das Gefühl haben, der Lehrer "schleppt sie irgendwo hin". Das eigene Interesse, die Freude am Lernen und der Erfolg, der damit kommt, wecken die stärkste Kraft beim Lernen: Die eigene Motivation
Als Lehrer sehe ich meine Aufgabe, den Schülern zu helfen ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und weiter zu entwickeln. Meine beste Erfahrung aus fast 20 Jahren Unterrichten als Gitarrenlehrer ist, daß man am besten lernt, wenn man "sich selbst ein guter Lehrer" ist. Diesen Spruch (ursprünglich von Andres Segovia) können meine Schüler alle auswendig.
Eine Gitarrenstunde dauert 45 bis 60 Minuten und ist schnell vorbei. Die meiste Zeit und den meisten praktischen Fortschritt machen die Schüler , wenn sie allein mit der Gitarre zuhause sitzen und versuchen, das was in der Stunde besprochen wurde umzusetzen. Wer sich da ein guter Lehrer ist, eigene Wege sucht sich das zu Lernende verständlich zu machen, sich selbst beobachtet aus der Sicht eines Lehrers, sich selbst kleine Aufgaben gibt, lernt nach meiner Erfahrung 10 mal schneller, besser und effektiver. Und mehr Spass macht`s auch noch!
Immer wieder habe ich erlebt, wie ganz normale Menschen plötzlich abgingen "wie eine Rakete", als sie entdeckten, was sie selbst alles tuen konnten um zu den Dingen zu kommen, die sie interessierten. Man muss nur den Punkt finden, wo das Lernen Spass macht und effektiv ist. Schon Waldo Emerson (US Philosoph und Theologe) sagte: "Du kannst die Welt aus den Angeln heben, wenn Du den Ansatzpunkt findest."
In den öffentlichen Schulen verlernen viele Schüler, "sich selbst ein guter Lehrer" zu sein. Sie werden dort häufig mit Wissen "vollgestopft", das sie nicht interessiert. Lernen ist dort selten eine spannende, Spass bringende Sache sondern Zwang zur Leistung um ein gutes Zeugnis zu kriegen. Ich könnte mir aber auch hier vorstellen, daß ein Unterrichtsfach "Selbstunterricht " helfen könnte, das Lernen wieder angenehmer und einfacher zu machen.
Wenn diese Form des Lernens und Lehrens an der normalen Schule leider selten stattfindet, kann man das doch im Gitarrenunterricht gut anwenden. Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich merke, daß ein Schüler oder eine Schülerin den eigenen Weg zum Lernen gefunden hat und sehe bei diesen dann immer den schnellsten Fortschritt und die meiste Begeisterung für die Gitarre.
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Last uptdated 18.02.12