"Ihr Schülerlein kommet..."

Der Versuch einer "Schülertopologie" (was immer das ist...)

Wenn ich mal so nachrechne, dürfte ich in meiner Gitarrenlehrer-"Karriere" bis jetzt rund 300 Schüler und Schülerinnen unterrichtet haben. Ist doch lustig, wie sich da manche Kandidaten/Innen ähneln und sich verschiedene "Deja vu" Erlebnisse ergeben.

Im Grunde halte ich ja nix vom Schubladen-Denken, denn wenn man Menschen näher kennenlernt, entdeckt man in jedem etwas Einzigartiges und Individuelles. Auch ändern sich Menschen und ihre Motivationen auf gewisse Anregungen oder durch "Zufall"(Menschen sind tatsächlich nicht aus Beton :-).
Als Lehrer ist es wahrscheinlich die Kunst, die richtigen Dinge zu sagen oder zu tun damit der Schüler Ideen kriegt, sich zu ändern.

"Traumhaft" für einen Gitarrenlehrer ist es natürlich, wenn da ein begabter, aufmerksamer Schüler oder Schülerin vor einem sitzt, der bzw. die total wild auf`s Gitarrespielen ist und ganz versessen darauf ist, das Gelernte in 112 Variationen zuhause zu üben. Nächste Stunde bist Du dann geplättet, wenn Du siehst, wie gut das läuft und dann heißt es guten neuen "Stoff" zu liefern ("Feed me Seymor..."). Sowas macht natürlich Spaß und läuft wie von selbst.

Das andere Extrem sind die Kids, die quasi von ihren Eltern gezwungen werden "ein Instrument" zu lernen. So nach dem alten Bildungsbürgertum Ideal, "ein Mädchen aus gutem Hause lernt Klavier". Außerdem scheint es für manche Eltern ja wichtig zu sein, daß ihr Kind auch auf künstlerischem Gebiet etwas "leistet". Diese Gründe Gitarre zu lernen (für manche Kids ist die Gitarre dann "das kleinste Übel") bringen wenig positive Resultate. Als Gitarrenlehrer hat man dann mit den negativen Gefühlen aller Beteiligten zu kämpfen.
Schüler: "Ich hab` keinen Bock..." Eltern: "Wann kann er/sie denn endlich was?" Lehrer: "Ich werd` noch wahnsinnig...".

O.k., so ganz extrem hab` ich das seit ich privat unterrichte nicht mehr erlebt, aber früher in der Musikschule hatte ich einige solcher "Fälle". Es stimmt natürlich, daß das Erlernen eines Instruments viel Freude bringen kann ("Mir ist so langweilig...") und ein prima geistiges Training ist - also durchaus sinnvoll ist. Aber es muss echtes Interesse da sein damit Erfolg kommen kann. Liebe Eltern, im Namen aller meiner Kollegen, bitte, bitte fragt Eure Kinder ob sie wirklich ein Instrument spielen wollen. Das ist nämlich Voraussetzung für Spass und Erfolg.

Es gibt natürlich noch viele andere "Schülertypen". Z.B. habe ich auch viele erwachsene Schüler. Ich bin übrigens nicht der Meinung, daß Kinder und Jugendliche prinzipiell besser lernen als Erwachsene. Diese Sprüche, "wenn man als Kind nicht mit der Musik anfängt...", hätte das keinen Sinn mehr, halte ich für ziemlichen Stuss. Faktoren wie Interesse, Konzentrationsfähigkeit, Sich selbst ein guter Lehrer zu sein sind meiner Meinung nach wichtiger als, wie alt jemand ist. O.k. wenn man später anfängt muss man seine Ziele etwas niedriger setzen: Wenn man heute wie Eric Clapton spielen will, muss man halt einsehen, daß der ca. 35 Jahre dafür gebraucht hat.
Aber Songs begleiten oder kleine Instrumentalstücke kann nach meiner Erfahrung
jeder nach kurzer Zeit (egal wie alt er/sie ist ;-)

Zugegeben, als erwachsener Berufstätiger mit Kindern hat man viele zeitliche Verpflichtungen, die einem vom Spielen und Üben abhalten können, aber wer effektiv übt kann in kürzerer Zeit mehr erreichen, als jemand der Zeit mit sinnlosen Übungen verplempert. So sehe ich bei Erwachsenen immer wieder enorme Fortschritte, und wie sie ihre Ziele erreichen trotz komplizierterer Lebensumstände, wie sie vielleicht mancher Teenager hat...

Im Grunde kann man vielleicht garnicht von verschiedenen "Schülertypen" sprechen, sondern von Schülern, in denen die drei meiner Meinung nach wichtigsten Faktoren zum Lernen nur in unterschiedlicher Stärke vorliegen:

1. Interesse: Heißt soweit ich mich noch an mein Schul-Latein erinnere, "Darin sein". Sollte also im besten Fall schon reichlich im Schüler sein. Als Lehrer kann man natürlich "schlafendes" Interesse wecken, aber nach meiner Erfahrung, nicht in jemand "reinquetschen" (wer weiß, was das auf Latein heißt... :-)

2. Konzentrationsfähigkeit: Diese lässt sich trainieren, falls sie noch nicht so umfangreich da ist. Schon Mahatma Ghandi sagte mal, "durch Übung kann man der Natur ein Schnippchen schlagen". Natürlich ist es besser, wenn jemand schon gewöhnt ist sich zu konzentrieren (z.B. durch irgend eine andere Tätigkeit, wie Nasebohren...).

3. Sich Selbst ein guter Lehrer sein: Siehe dort. Auf jeden Fall findet man so seine beste Art des Übens, die den meisten Spass und Erfolg bringt...

Wenn man als Lehrer erkannt hat, wo der, die SchülerIn in diesen drei "Disziplinen" gerade steht (was manchmal vielleicht was dauern kann), kann man unterstützend eingreifen, egal wie weit er bzw. sie noch vom "Traumschüler" entfernt ist...

Weiter mit mentalem Training

 

Ernesto's Gitarrenlinks © 2003 - zur Startseite

 

Last uptdated 20.01.05