Mentales Training auf der Gitarre
(die finale Übungsmethode):


1. Fingertechnik & Brainpower

Natürlich ist es wichtig seine Fingerlein rechts und links eifrig zu trainieren, damit die Bewegungen in "Fleisch und Blut" übergehen und die Muskulatur, Präzision & Routine aufgebaut wird, die nachher das Spielen soviel leichter macht. Man/frau muß viel auf der Gitarre spielen/üben um ein "Gefühl" für die Abstände der Saiten, Lage der Töne, Griff- und Anschlagspunkte zu bekommen. Viele praktische Erfahrungen sind zu sammeln bis die vielen Nuancen klar werden, wie diese wunderhübschen Töne aus der Gitarre rauszuholen sind.

Was gibt es nicht alles falsch, richtig und besser zu machen bis alle (oder die meisten ;-) Fehler ausgemerzt sind und die guten Sounds immer wieder reproduzierbar sind (wenn die Fingerlein gut eingespielt sind...). Diese "handfesten", spielerischen Erfahrungen, die Stunden Üben am Instrument sind natürlich superwichtig. Wenn in dieser Übezeit, die Bewegungen besonders genau und locker gemacht werden, wenn dabei dann immer auf gute klare Töne geachtet wird - der (einzelne) Ton macht die Musik - , wenn das Timing exakt eingeübt wird, wird das Üben dauerhaften Erfolg bringen.

Aber es gibt noch eine sehr effektive Übemethode, vielleicht ist sogar die effektivste Übung auf dem Weg zur Perfektion: Mentales Training.
Wer sich die Mühe macht (und es ist wirklich schon etwas Mühe...) und nach dem ganzen "muskulären Kram" auch sein Köpfchen intensiver zu trainieren (was natürlich eigentlich nie wirklich Pause hat...), kann sogar den Sprung in die Oberliga auf dem Instrument schaffen. Die vielen technischen Übungen für rechte & linke Hand, das Wissen um guten Ton & Rhythmik legen die Grundlage für's Können - das Trainieren der "Geisteskraft" (keine Panik, jetzt wird's nicht esoterisch.. ;-), kann auf dieser Grundlage tolle Musik aus der Gitarre zaubern.

2. Welche geistigen, motorischen Prozesse sollten für's Gitarrespielen/Musikmachen trainiert werden?:

Mentales Training ist trainieren der Vorstellungskraft. Die Bereiche auf die es beim Gitarrenspiel ankommt sind V A M. Das Visuelle, Auditive und Motorische (.. und natürlich das "FEELING".. ;-).

 


V steht für das Visuelle, alles, was zu sehen ist!

Zu sehen gibt's beim Gitarreüben z.B. die Noten, Tabulatur, Text/Akkord Blatt oder ein netter Mensch, der einem sagt, wo die links & rechts Fingerlein platziert werden sollen (um diese scharfen Lauf zu spielen..). Also, erstmal ganz genau hingucken, wo die Finger hin müssen. Hier mal so ein kleiner "mentaler" Gedankengang:

"Was steht da z.B. auf dem Papier im ersten Takt? Zweiten Finger auf G-Saite am 2. Bund, dazu oben leere E-Saite anschlagen, dann kommt kleiner Finger auf H-Saite am dritten Bund, dannach leere E-Saite allein. Jetzt oben 1. Finger 1. Bund E-Saite, dazu unten leere D-Saite..." usw.
(wohl denen, die die Notennamen & Harmonielehre kennen - da gibt's gleich 'ne Menge zusätzlicher Gedankenstützen..).


Es gibt eine Menge visueller Informationen und Rückmeldungen, die man/frau sich einprägen kann (sollte!). Hier helfen wieder "w"-Fragen. Welche Töne spielen, wo & womit greifen, wo & womit anschlagen, wie lange klingen lassen/welche Notenwerte, welcher Notenname, welche Harmonie/Akkord...
Alle Infos, die Ihr kriegen könnt und Euch bewußt macht, lassen Euch am Ende das Stück besser spielen, bzw. Ihr kennt das Ziel (das soll ja bekanntlich helfen, wenn man losmarschiert und auch weiß, wohin... ;-).

Mentales Training ist jetzt, sich diese Informationen einzuprägen. Also erstmal genau auf's Blatt schauen. alles analysieren (also lieber erstmal nur ein Takt, sonst wird's too much... ;-), dann langsam spielen, dabei auf rechte und linke Hand gucken - am besten noch sich selber laut vorsagen, was man da eigentlich genau macht. Jetzt - und das ist mentales Training! - Gitarre aus der Hand legen und das Noten/Tab Blatt vor dem geistigen Auge sehen. Auch die Finger auf dern Saiten sehen - alles ohne Gitarre, nur in der Vorstellung! Macht Euch die Töne auf dem Blatt klar, seht Eure Finger marschieren...

Diesen so gelernten Takt könnt Ihr auch wenn Ihr unterwegs seid oder Langeweile habt (im Job oder in der Schule.. ;-) im Kopf üben. Gitarreüben ohne Gitarre - ist das nicht cool? Es ist im Prinzip konzentriertes auswendig Lernen, mit dem Ihr Eure Vorstellungskraft trainiert. Ihr macht Euch damit den genauen Weg klar, den Eure Finger nehmen sollen und welche Töne (bzw. wo gegriffen..), auf welcher Taktzeit gespielt werden. Probiert's mal aus!

Wenn Ihr nach dem visuellen mentalen Training dann "real" diesen Takt spielt, werdet Ihr Euch wundern, wie leicht es Euren Fingerlein fällt, den Weg zu finden. Den Prozess des Nachdenkens, wo die Finger hin müssen, habt Ihr jetzt nämlich vor dem tatsächlichen Spielen trainiert. Das tatsächliche Spielen kostet jetzt viel weniger Energie. Jetzt habt Ihr auch den "Kopf frei" um der Musik Ausdruck zu verleihen etc...

 

A steht für das Auditive, alles, was zu hören ist!

Das Tolle am menschlichem Gedächtnis und für's Musikmachen natürlich besonders wichtig, ist die Fähigkeit sich Klänge zu merken. Sei es der Klang der Stimme einer geliebten (oder gehassten ;-) Person, Klangfarben von Instrumenten, Tonfolgen oder sogar (bei etwas Training) Harmonien/Akkorde. Ein sehr wichtiges & hilfreiches Fach beim Musikstudium ist die GEHÖRBILDUNG. Dort lernt der/die (meist ziemlich widerstrebende..) MusikstudentIn Tonfolgen/Akkorde und Rhythmen durch reines Hören zu analysieren und aufzuschreiben.

Zunächst spielt einem der Lehrer (in meinem Fall war's die strenge Professorin Frau Zeiner ;-) Intervalle vor (zwei Töne in verschiedenen Abständen..), die es gilt sich einzuprägen. Nach 'ner Weile "bleibt da was hängen" und Terzen, Quarten usw. lassen sich am Charakter auseinanderhalten (natürlich helfen da auch kleine Eselsbrücken, wie Anfänge von Liedern oder Tatütata/Polizei = Quarte - und solche Scherze ;-). Natürlich (leider ;-) steigert sich der Schwierigkeitgrad im Laufe des Kurses: Aus zwei nacheinander gespielten Tönen werden gleichzeitig gespielte, dann kommen Drei- und Vierklänge...

Natürlich werden auch Tonfolgen und Rhythmen geübt. Melodie- & Rhythmusdiktate gilt es richtig nach Gehör aufzuschreiben (echte Diktatatur, sag ich Euch....)

Hier ein paar Links zu Software (z.T. free), wo Ihr eine Idee davon bekommt bzw. trainieren könnt:
www.gehoerbildung.de
www.musictheory.net/downloads.html
www.miles.be
www.byear.com/
www.gitarrenlinks.de/earmasterpro.htm


M steht für das Motorische, welche Bewegungsabläufe nötig sind

Nachdem Ihr Euch klar gemacht hat, welche Töne genau in dem Stück gespielt werden sollen, das Ihr können wollt, also erstmal genau den Notentext (visuell) studiert habt, ist es ein guter Zeitpunkt, einen guten Fingersatz zu finden. Fingersatz meint, welcher Finger spielt /greift welchen Ton im Stück. Es ist schon enorm hilfreich, sich da einige Gedanken zu machen, ein guter Fingersatz kann ein Stück erheblich leichter spielbar machen (klassische Gitarristen können sich z.B. stundenlang über Fingersätze unterhalten.. ;-).

Es ist von Vorteil, wenn Ihr schon ein bisserl Erfahrung habt mit typischen Bewegungsabläufen auf der Gitarre, wie sie z.B. in Arpeggio oder Tonleiter Übungen trainiert werden (ich kenn' da eine gute Gitarrensite, Gitarrendings oder Gitarrekings.de - da gibt's so einen Berich Workshops...). Fingersätze, die leicht und fließend spielbar sind, also cleverer Einsatz von mehreren Fingern (Ihr habt doch ein paar zur Verfügung..) in praktischer Abfolge, klingen besser und überanstrengen die Hände nicht.

Mein (großer) Maestro Eliot Fisk (ich mußte mich grade nochmal vor seinem Bild in den Staub werfen.. ;-) pflegte immer zu sagen, "gut spielen ist leicht - der Weg dahin ist schwer...". Damit meinte er, nachdem man/frau gut geübt hat, fällt einem das Stück sehr leicht. Die Muskeln werden gar nicht großartig angestrengt, alles fließt und fühlt sich gut an (s. Üben im Flow im letzten Letter..). Ein guter Fingersatz legt den Grundstein für diese Leichtigkeit.

Wie könnt Ihr also rangehen, wenn Ihr mit einer technischen Schwierigkeit in einer Passage des Stücks zu kämpfen habt?
Zunächst also genau überlegen, welcher Finger in der linken Hand (bzw. rechts bei LinkshänderInnen ) am praktischsten zum Greifen eines Tons in Frage kommt. Dabei ist wichtig auch zu beachten, welcher Ton vorher gespielt wird bzw. nach dem Ton folgt. Probiert mehrere Möglichkeiten aus, die Finger sollen sich gut anfühlen, kein einzelner (dauerhaft) überlastet werden. Hilfreich ist es immer auch vorzudenken, welcher Finger als nächstes kommen soll und diesen rechtzeitig auf den Weg zu schicken, bzw. vielleicht sogar schon etwas früher auf die Saite zu stellen.

Wie gesagt, es hilft, wenn Ihr auch schon mal "Trockenübungen" in Form von Tonleitern/Arpeggios gemacht habt - in den Übungen werden die praktischsten Fingersätze trainiert.

Für die rechte (Anschlags-) Hand gilt genau das Gleiche: Praktische, leichte, fließende Fingerfolgen helfen, das Stück leichter zu machen. Überlegt, probiert mehrere Variationen langsam aus. Welche fühlt sich am besten an, welche klingt am besten - dies sind wichtige Fragen. Übt beide Hände auch unbedingt mal einzeln, Ihr werdet Euch wundern, was Ihr da alles entdeckt... Das Ganze klappt natürlich auch bei relativ einfachen Sachen, wie Liedbegleitung, wo ja auch schon mal "Haker" bei Wechseln sein können...

Mentales Training des Motorischen heißt dann, sich die Fingersätze links und rechts gedanklich einzuprägen. Das kann wirklich einiges an Konzentration kosten (nach zwei Takten im Kopf ist man/frau erstmal erledigt...), aber durch Traing lässt sich "der Muskel im Kopf" stärken, wie jeder andere Muskel im Körper (jetzt werdet Ihr alle Brain-Schwarzeneggers... ;-). Ihr werdet nach einer Weile mentalen Traings merken, daß Ihr einen Sprung gemacht habt und alles plötzlich sehr schlüssig funktioniert & klingt - probiert's aus :-)


Was nutzt uns das für's Gitarre spielen???

Wir GitarristInnen kämpfen immer mit diesem kniffeligem Instrument, das jede Unsauberkeit beim Greifen oder Anschlag der Saiten mit Schnarren & Scheppern "bestraft". Über diesem technischem Kampf vergessen wir leicht uns auf die Musik zu konzentrieren. Oft denken wir eher an Fingerfolgen und dabei meist noch eher die in der linken Hand, wo noch nicht mal der eigentliche Klang entsteht (sondern in erster Linie "nur" die Tonhöhen), als an den Ton der am Ende ans Ohr des Publikums gelangen soll. Vor lauter Konzentration auf den Fingerkampf, hören wir uns nicht mehr richtig zu.

Gehörbildung trainiert das Klangvorstellungsvermögen. Beim Audio Mentalem Training kannst Du Tonfolgen, Akkordverbindungen, ganze Stücke vor Deinem inneren Ohr abspulen.. Dadurch kannst Du beim Spielen (oder auch eine halbe Stunde vorher, ganz ohne Gitarre) genau "planen", wie Du die Töne gleich "servieren" möchtest. Du spielst/hörst das Stück schon im Kopf - mit (einigem ;-) Training kannst Du das Stück wirklich "virtuell" nur in der Vorstellung spielen, d.h. mal Ton für Ton langsam, dann ganze Linien in einem Rutsch.

Natürlich muss man/frau vorher das Stück sehr gut "studieren", d.h. superlangsam gespielt haben und jede Tonfolge auch beim Spielen gut mitverfolgt haben. Erfahrene Leute (sehr erfahrene Leute...) können das aber auch, in dem sie das Notenblatt intensiv durchgehen, passagenweise mitsummen, innehalten und immer wieder versuchen den Klang innerlich zu hören. Das Ganze fördert enorm die Konzentrationsfähigkeit und die Sicherheit mit der das Stück im wahrsten Sinne "beherrscht" wird.



Tolle Bücher & Software zu diesem Thema & Üben allgemein sind:


Mentales Training "Mentales Training für Musiker" von Renate Klöppel

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  "Clever üben, sinnvoll proben..." von Mark A. Gieseke

Was ich seid 20 Jahren meinen Schülerlein zum Thema effektiven Üben predige (und noch einiges mehr ;-) findet Ihr in diesem Buch
(dabei hab' ich's noch nicht mal geschrieben...).

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